Das Jahr 2016 geht zu Ende; es ist Zeit um nochmals zurück zu schauen und „Danke“ zu sagen…

Ich bin mit dem Gedanken ins Wintertraining gestartet „das könnte meine letzte Saison werden“. Trotzdem tat ich mich anfangs Jahr etwas schwer, eine klare Entscheidung zu treffen. Immer wieder wog ich ab und merkte, dass mir das Hin und Her Energie raubte. Während meiner ganzen Karriere war mir klar, dass es auch „ein Leben nach dem Leistungssport“ geben wird und ich nicht ewig Wettkämpfe bestreiten will und kann. Ich merkte plötzlich, dass ich vor den ersten wichtigen Rennen einen Entschluss fassen muss und das stellte sich im Nachhinein betrachtet, als regelrechter Befreiungsschlag heraus…

 

Ich blende nochmals kurz zurück. Mit einem Leistungstest in der Schulthessklinik in Zürich startete ich ins Aufbautraining für die Saison 2016 – es sollte meine 18. (!) werden. Ganz nach dem Motto „Never change a winnig team“ war für mich klar, dass ich mit meinem Coach Fabian Neunstöcklin weiterarbeiten will. Motiviert und ohne grössere Probleme konnte ich meine Vorbereitung absolvieren. Bereits im Frühling arbeitete ich sehr konsequent und hart, um einen (zu dieser Zeit noch nicht ganz klar definierten) erfolgreichen Karriereabschluss zu erreichen. Bereits in den Trainingslagern in Mallorca (Februar) und auf Gran Canaria (März) standen etliche sehr harte Trainingseinheiten auf dem Plan, welche ich alle durchziehen konnte. Es war für mich neu, bereits so früh in der Saison schon solche Intervalle zu fahren, aber ich vertraute meinem Trainer voll und ganz.

 

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Im Mai startete ich in Grimisuat und in Leuk zu meinen ersten Vorbereitungsrennen im Wallis. Bereits dort spürte ich viel Power in den Beinen. Beim ersten „richtigen“ Ernstkampf, dem Bikemarathon in Bad Wildbad (D) gelang mir sozusagen ein erster Exploit. Nur knapp verpasste ich den Sieg und belegte zu meiner Überraschung den zweiten Rang.

 

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Daraufhin legten wir nochmals einen harten Trainingsblock ein, welchen ich im Wallis absolvierte. Zu Gunsten einer optimalen Vorbereitung auf die Schweizermeisterschaft und nach einigen Diskussionen mit meinem Trainer Fabian, verzichtete ich schweren Herzens auf den Marathon in Estavayer-le-Lac. Wie sich später herausstellte, sollte dies eine sehr kluge Entscheidung sein. In der Zwischenzeit hatte ich mich nun definitiv entschieden, mein Bike Ende Saison „an den Nagel zu hängen“.

 

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An den Schweizermeisterschaften in Evolène gelang mir wohl eines meiner stärksten Rennen der ganzen Karriere. Ich reiste zwar mit einem guten Gefühl ins Wallis, dass ich dann aber eine solche Leistung abrufen kann, hätte ich nicht zu träumen gewagt. Hinter Ariane Kleinhans und vor Esther Süss wurde ich schliesslich zum dritten Mal nach 2011 und 2012 Vizeschweizermeisterin. Wenn ich an dieses Rennen zurückdenke, bekomme ich gleich wieder Hühnerhaut. Diese Gefühle und Emotionen werden mir hoffentlich für immer in Erinnerung bleiben. Bereits eine Woche später übernahm ich in Fribourg nach einem Sieg am BergiBike das Leadertrikot in der Garmin Bike Marathon-Serie. Ich war zwar mit gemischten Gefühlen angereist, da ich die Strapazen der Schweizermeisterschaft noch nicht ganz verdaut hatte. Aber dank meiner super Form konnte ich am Rennen erneut eine Topleistung abrufen.

 

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Wiederum nur eine Woche später reiste ich (wohl noch geflasht von den vergangenen Wochen) ins Engadin an den erstmals stattfindenden dreitägigen Bike-Giro. Mein Ziel war es, mein Bestmöglichstes zu geben, die drei Tage gut zu überstehen und damit die erste Saisonhälfte erfolgreich abzuschliessen. Was dann im Engadin passierte, überstieg irgendwie mein Vorstellungsvermögen. Mit sehr schweren Beinen startete ich am Freitagnachmittag zur ersten Etappe, einem Bergzeitfahren von St. Moritz auf die Corviglia. Nachdem ich auf dem ersten Kilometer extrem zu kämpfen hatte, kam ich plötzlich in einen richtigen Flow und flog nahezu den Berg hoch. Oben angekommen zog ich mich um und genoss dann die Abfahrt mit ein paar Kollegen auf dem Flowtrail. Ohne mir gross Gedanken über das Resultat zu machen, fuhr ich zurück zum Hotel. Noch bevor ich dort ankam, erreichte mich die Nachricht, dass ich die erste Etappe gewonnen und somit das Leadertrikot übernommen hatte. Es sollte noch besser kommen, auch die zweite Etappe, einen Marathon rund um Silvaplana und St. Moritz, konnte ich überlegen gewinnen und das Leadertrikot verteidigen. Noch war es aber nicht ganz geschafft. Ich merkte, dass mich die letzten Rennen viel Substanz gekostet hatten und so wusste ich, dass ich auch beim letzten Marathon auf der dritten Etappe meine Bestleistung abrufen muss. Ich versuchte mich mental nochmals zu pushen und so gelang mir der dritte Sieg in Serie. Somit gewann ich auch die Gesamtwertung in einem starken Teilnehmerinnenfeld souverän. Wow, eine einzige Erfolgsgeschichte – mir kam es vor wie ein Märchen.

 

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Ich war dann aber doch froh, um die 6 Wochen Wettkampfpause, welche nur durch ein kleines Rennen im Goms unterbrochen wurde. Bei besten Bedingungen konnte ich noch einmal einen harten Trainingsblock absolvieren. Ich versuchte mich optimal auf die zweite Saisonhälfte einzustellen und war bereit, bei den letzten fünf Marathons meiner Karriere alles zu geben. Körperlich und mental war ich „top fit“, aber leider kam dann plötzlich doch alles etwas anders als geplant… Fünf Tage vor der Eiger Bike Challenge in Grindelwald verunfallte mein Vater beim Wildheuen sehr schwer. In kritischem Zustand lag er auf der Intensivstation und ich musste mich entscheiden, ob ich zum Rennen starten will oder nicht. Es war nicht einfach, aber ich wusste, dass sich an seiner Situation nichts ändert, egal ob ich fahre oder nicht. Ich konnte ihm in diesem Moment nicht helfen und so beschloss ich, in Grindelwald teilzunehmen.

 

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Vor dem Start hatte ich sehr grosse Mühe, meine Gedanken zu fokussieren. Zum Glück gelang es mir dann immerhin während des Rennens „den Schalter umzulegen“. Leider verlief dann aber auch der Wettkampf nicht ganz nach Plan. Aus unerklärlichen Gründen, waren zwei Streckenposten einen Moment lang nicht auf ihren Plätzen und so habe ich mich zusammen mit einigen anderen Teilnehmern „verfahren“. Mit einem riesigen Umweg hatte ich keine Chance mehr auf die Podestplätze. Dank einer kämpferischen Leistung konnte ich aber mein Leadertrikot der Garmin Bike Marathon-Serie mit einem fünften Rang verteidigen. Bereits eine Woche später folgte mit dem Grand Raid im Wallis mein Lieblingsrennen. Eigentlich wollte ich zum Karriereabschluss auf der längsten Distanz mit Start in Verbier starten. Da sich aber in der Zwischenzeit an der Situation mit meinem Vater nichts verändert hatte und ich mich körperlich und vor allem auch mental nicht besonders gut fühlte, musste ich mein Vorhaben ändern. Schweren Herzens entschied ich mich, wie in den letzten vier Jahren von Nendaz zu starten. Mit 90 Kilometern und 4’000 Höhenmetern ist diese Strecke ja auch kein „Kindergeburtstag“. Für mich war es fast unfassbar, dass ich meinen eigenen Streckenrekord pulverisieren und schliesslich den fünften Sieg in Serie feiern konnte. Mein Umfeld und meine Betreuer hatten sicher einen sehr grossen Anteil an diesem Erfolg. Zeit für Erholung blieb praktisch keine, denn bereits sechs Tage später folgte der Nationalparkmarathon in Scuol. Beim längsten Rennen der Saison erreichte ich nach einer sehr guten Leistung den zweiten Rang. Das Leadertrikot konnte ich somit auch zwei Rennen vor Schluss behalten. Es war jedoch sehr schwierig die Emotionen zu ordnen. Einerseits war da die Freude über meine Erfolge, aber anderseits war da auch das Hoffen und Bangen um meinen Vater, welcher auf der Intensivstation immer noch um sein Leben kämpfte.

 

19. Eiger Bike Challenge am Sonntag, 14. August in Grindelwald. Foto Martin Platter

 

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Eine niederschmetternde Diagnose, sollten die letzten zwei Rennen meiner Karriere zur mental grössten Herausforderung meines Lebens werden lassen. Die O-Tour in Alpnach war ein regelrechter Kampf vom Start bis ins Ziel. Ich konnte meine Gedanken fast nicht kontrollieren. Es gelang mir während des Rennens nicht, den Schalter umzulegen und so schweifte ich immer wieder ab. Phasenweise war ich wohl sehr schnell unterwegs, bevor ich dann wieder gedankenverloren „umhertümpelte“. Trotz allem reichte meine Leistung zum zweiten Rang. Vermutlich zehrte ich immer noch von meiner top Form. Der Gesamtsieg lag nun in Reichweite, aber noch galt es das Finale in Einsiedeln zu fahren. Dank grosser Unterstützung meines Umfeldes schaffte ich es auch bei meinem allerletzten Rennen meiner Karriere mit dem dritten Rang aufs Podest – dieses Resultat brachte mir dann den Gesamtsieg in der Garmin Bike Marathon-Serie auf der Langdistanz. Meine mit Abstand erfolgreichste Saison zum Karrierenende. Was will man mehr, als ein solch grandioser Abschluss!?

 

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4. Lauf der Garmin Bike Marathon Classics am o-tour Bike-Marathon, am Sonntag, 11. September 2016 in Alpnach. Foto Martin Platter

 

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Leider wurden diese schönen Gefühle aber doch getrübt. Mein Vater „verlor seinen Kampf“ und verstarb leider Ende Oktober. Sportliche Resultate rücken in solchen Momenten extrem in den Hintergrund oder werden sogar sehr unwichtig. Trotz allem und mit etwas Abstand betrachtet bin ich natürlich sehr, sehr dankbar, dass ich meine Karriere so beenden konnte. Es war sportlich gesehen, eine einzige Erfolgsgeschichte. Ich bin glücklich, dass ich in meinen 18 Jahren Leistungssport so viel Schönes erleben durfte. Sicher trugen auch die weniger guten Momente dazu bei, dass ich heute dastehe und weiss, dass ich kaum eine bessere Lebensschule hätte durchlaufen können. Klar habe ich nicht alles erreicht, was ich mir zu Beginn meiner sportlichen Laufbahn vorgestellt resp. vorgenommen habe. Aber man muss irgendwann auch demütig werden und für all das dankbar sein, was man erlebt und erreicht hat! Ich danke allen Menschen, welche mich während diesen vielen Jahren in irgendeiner Form positiv unterstützt haben.

 

Finale der Garmin Bike Marathon Classics am 20. Iron Bike Race, am Sonntag, 25. September 2016 in Einsiedeln. Foto Martin Platter

 

 

Ein herzliches Dankeschön…

 

…meinem Freund Roger

Er ist für mich die grösste und wichtigste Stütze in meinem Leben. Danke, für die unzähligen Stunden, welche du in mich und meinen Sport ‚investiert‘ hast!

 

…meinem Trainer Fabian Neunstöcklin

Er hat mich während den letzten drei Jahren begleitet und unterstützt. Danke, für die perfekten Trainingspläne und deine grossartige Arbeit, welche dahintersteckt. Fabian hat es immer verstanden, mich in den richtigen Momenten zu bremsen oder aber zu pushen.

 

…meinen Betreuern

Allen voran meiner Schwester Cornelia und ihrem Freund David, welche beide so viele Stunden für mich am Streckenrand standen. Danke für euren unermüdlichen Einsatz und eure grossartige Hilfsbereitschaft. Ich weiss, dass das nicht selbstverständlich ist!

Danke Walti Ehrler und Jolanda Herger ihr habt keinen Aufwand gescheut, um für mich einen perfekten Job zu machen. Und natürlich auch allen herzlichen Dank, welche mich am Streckenrand angefeuert haben.

 

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…meinen grosszügigen Privatsponsoren:

Bless AG, Erstfeld

Gisler Bau GmbH, Bürglen

Bikewelt Gisler GmbH, Schattdorf

Berghotel Maderanertal, Bristen

Zürich Versicherung – Generalagentur Hermann Epp, Altdorf

Elektro Imholz AG, Schattdorf

 

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Vielen Dank für eure Unterstützung!

 

…meinen Masseuren und Physiotherapeuten Sacha Hunkeler (Medizinische Massagepraxis – Sacha Hunkeler), Patrik Michlig (Physiotherapie Patrik Michlig), Jolanda Stöckli-Mathis (Consona-Physiotherapie). Danke für die „schnellen Wädli“, entspannte Muskeln und die vielen persönlichen Gespräche!

 

…meinen Trainingsgspändli

Ihr habt mich bei zahlreichen Trainings immer wieder bestens unterhalten, gepusht und begleitet!

 

 

euch allen, welche meine Texte lest und mir immer wieder Gratulationen überbracht und positive Feedbacks gesendet habt!

 

Finale der Garmin Bike Marathon Classics am 20. Iron Bike Race, am Sonntag, 25. September 2016 in Einsiedeln. Foto Martin Platter

 

Ich wünsche euch einen guten Rutsch und im neuen Jahr alles Gute. Mögen eure Wünsche und Träume in Erfüllung gehen!