Beim Nationalpark-Bike-Marathon über 137 Kilometer und 4040 Höhenmeter konnte ich eine starke Leistung zeigen. Trotz eines Hinterraddefekts bewältigt ich das längste Rennen der Swiss Bike Marathon Serie als zweitschnellste Frau.
Am Samstag fand im Engadin die 14. Austragung des Nationalpark-Bike-Marathons statt. Die über 2000 Teilnehmer konnten sich zwischen vier verschiedenen Distanzen entscheiden, welche rund um den Schweizer Nationalpark führten. Ich startete auf der Langdistanzstrecke mit Start und Ziel in Scuol. Nicht weniger als 137 Kilometer und 4040 Höhenmeter galt es zu überwinden. Die Strecke war technisch nicht sehr anspruchsvoll, aber mit 137 Kilometern das längste Rennen der Swiss Bike Marathon Serie. Zudem wartete mit dem 2700 Meter hohen Chaschaunapass ein grosses Hindernis auf uns.
Lokalmatadorin und Leaderin der Swiss Bike Marathon Serie, Milena Landtwing, schlug bereits im ersten Anstieg nach Costainas ein hohes Tempo an. Ich ging das Rennen offensiv an und heftete mich ans Hinterrad von Landtwing. Ich fühlte mich von Beginn weg sehr gut und konnte die Pace der Favoritin fast mitgehen. Bis zum ersten Kulminationspunkt auf Costainas verlor ich nur dreissig Sekunden. Die nächsten Verfolgerinnen, Cornelia Hug und Florence Darbellay, büssten dagegen bereits mehrere Minuten ein. In der Abfahrt nach Fuldera erlitt ich dann, wie bei der Eiger Bike Challenge einen Hinterraddefekt („Plattfuss“). Ich blieb sehr ruhig und so gelang es mir relativ schnell, den Defekt zu beheben. Nach der Abfahrt musste ich dann bei unserem Betreuer nochmals einen kurzen Zwischenstopp einlegen und einen neuen Schlauch und eine neue Luftpatrone einpacken (man kann ja nie wissen ;-)). Dieser Zwischenfall ermöglichte der drittplatzierten Cornelia Hug aufzuschliessen.
Im Flachstück Richtung Fuldera nahm ich etwas Tempo raus und so holte mich eine grössere Gruppe ein. Das war mir aber gerade recht, denn so konnte ich etwas vom Windschatten der Männer profitieren. Kurze Zeit später folgte dann die zweite Steigung von Fuldera nach Döss Radond. Gleich zu Beginn des Anstiegs erhöhte ich das Tempo und setzte mich von Cornelia Hug ab. Ich fühlte mich einen Moment lang zwar nicht besonders gut, aber ich versuchte trotzdem ein ordentliches Tempo zu halten. Ich war froh, als ich mich dann in der Abfahrt von Döss Radond und auf dem anschliessenden Singletrail durch das Val Mora wieder erholen konnte. Im Aufstieg nach Alpisella konnte ich dann wieder einen höheren Rhythmus fahren und das Tempo bis zum Kulminationspunkt hoch halten. Nach einer schnellen und etwas gefährlichen Abfahrt passierte ich nach 71 Kilometern Livigno als Zweitplatzierte, rund 9 Minuten hinter Milena Landtwing und 4 Minuten vor Cornelia Hug.
Auf dem kurzen Flachstück entlang dem See, versuchte ich mich nochmals gut zu verpflegen und mental auf das bevorstehende Hindernis vorzubereiten. Schon die Anfahrt Richtung Chaschaunapass-Anstieg ist gespickt mit einigen kurzen, sehr steilen Rampen. Ich versuchte eine gute Pace zu finden, aber nicht zu überdrehen. Und dann kam „er“. Der Anstieg auf den Chaschaunapass. Nicht weniger als 900 Höhenmeter galt es auf den knapp 7 Kilometern zu überwinden. Mittlerweile waren auch die Temperaturen ziemlich hoch, was die Aufgabe zusätzlich erschwerte. Ich fand aber trotzdem schnell einen guten Rhythmus. Zwar musste ich immer wieder kurz absteigen und das Bike schieben. Aber in Anbetracht was ab S-Chanf noch folgen würde, wollte ich nicht auf biegen und brechen die letzten Körner verpuffen, nur damit ich fahrend den Berg hoch komme. Ohne grössere Probleme kam ich schliesslich über den Pass. In der darauffolgenden langen und schnellen Abfahrt versuchte ich mich nochmals zu erholen und meine Kräfte etwas zu bündeln.
Nach etwas mehr als fünf Fahrstunden passierte ich S-chanf weiterhin als Zweitplatzierte. Während sich der Rückstand auf die Führende Landtwing bei rund 14 Minuten einpendelte, stieg der Vorsprung auf die nun Drittplatzierte Darbellay auf 6 Minuten an. Von S-chanf bis nach Scuol lagen aber immer noch 50 Kilometer und 1000 Höhenmeter vor mir. Zwar hat das letzte Drittel des Nationalpark-Bike-Marathons bedeutend weniger Höhenmeter als die ersten beiden, aber nach all den Strapazen ist es nicht wirklich einfacher zu bewältigen. Ich hatte mich aber sehr gut auf die vielen Flachstücke und die kurzen Anstiege eingestellt. Und ich fühlte mich immer noch recht gut. Trotz des leichten Gegenwindes konnte ich in diesem Streckenabschnitt noch einmal zusetzen. Zwar fand ich keine passende Gruppe, aber durch den sich abzeichnenden Podestplatz konnte ich noch einmal eigene Kräfte freisetzten. Auch die Hitze versuchte ich so gut wie möglich zu ignorieren. Ich motivierte und pushte mich immer wieder selber und ich hatte wirklich das Gefühl, dass ich einen hohe Pace fahren kann. Die Tatsache, dass ich zwischen S-chanf und Ftan knapp drei Minuten auf Leaderin Milena Landtwing gutmachte, bestätigte meinen Eindruck.
In Ftan angekommen, stand dann nur noch die rund 5 Kilometer lange finale Abfahrt bevor. Mit dosiertem Risiko und grosser Vorsicht meisterte ich auch den letzten Streckenabschnitt. Diese Schlussabfahrt kam mir irgendwie endlos lange vor und so war ich froh, als ich endlich die „1-Kilometer-Tafel“ sah. Nach 6:56 Stunden passierte ich schliesslich die Ziellinie in Scuol als umjubelte Zweitplatzierte. Gewonnen wurde das Rennen von Milena Landtwing. Florence Darbellay setzte sich im Kampf um Platz drei knapp gegen Cornelia Hug durch.
Mit meinem Rennen und dem zweiten Platz bin ich sehr zufrieden überglücklich. Ich war mir nicht sicher, ob ich nach dem Eiger-Bike-Marathon in Grindelwald (88 km) und dem Grand Raid im Wallis (93 km) im dritten Rennen innerhalb von zwei Wochen nochmals eine solche Leistung abrufen kann. Ich bin mit einem guten Gefühl ins Bündnerland gereist, aber ich wusste, dass ich die Strapazen vom Grand Raid noch nicht ganz verdaut hatte. Umso zufriedener und auch ein wenig überrascht bin ich, dass ich meine Pace vom Start bis ins Ziel ohne grössere Probleme durchziehen und das Rennen auf dem zweiten Platz beenden konnte. Schade war sicher der „Plattfuss“ in der ersten Abfahrt, aber trotz dieses Malheurs konnte ich die Strecke zum ersten Mal unter 7 Stunden absolvieren – für mich ein weiteres Highlight! Mit diesem Auftritt ist mir auch mit Blick auf einen Podestplatz in der Gesamtwertung ein wichtiger Schritt gelungen. Nun schaue ich den beiden letzten Rennen in Alpnach und Einsiedeln gelassen entgegen. Alles, was jetzt noch kommt ist Zugabe.