Einen Sieg beim Grand Raid – einem der härtesten, aber schönsten Marathonrennen in der Schweiz… So hätte wohl mein Wunsch vor dem Start gelautet und ich hätte natürlich sofort „unterschrieben“. Wow, nun ist es Wirklichkeit! Nach einem für mich perfekt verlaufenen Rennen, konnte ich meinen Sieg aus dem Vorjahr bestätigen und den eigenen Streckenrekord um 2.5 Minuten verbessern.
Am Samstag fand die 24. Auflage des traditionsreichen und prestigeträchtigen Grand Raid zwischen Verbier und Grimentz statt. Ich nahm zum zweiten Mal an diesem Rennen teil und entschied mich, wie schon im letzten Jahr, die zweitlängste Strecke zwischen Nendaz und Grimentz mit 93 Kilometern und 4’000 Höhenmetern zu absolvieren. Das Grand Raid ist bekannt für seine tolle und anspruchsvolle Strecke, inmitten einer imposanten Bergkulisse. So war es nicht weiter verwunderlich, dass sich erneut zirka 2‘500 Bikerinnen und Biker der Herausforderung stellten. Obwohl es eines der härtesten Rennen in der Schweiz ist, gehört es zu meinen absoluten Lieblingsrennen und ich freute mich schon lange darauf.
Ein „kurzes“ smile für den Fotografen ;-)…
Foto: Martin Platter
Nach meinem Sieg im Vorjahr, gehörte ich zum engsten Kreis der Favoritinnen. Da aber auch heuer wieder einige Fahrerinnen am Start waren, welche ich nicht kannte, waren meine Chancen schwierig einzuschätzen. Ich setzte mir zum Ziel, ein ähnlich gutes Rennen wie im letzten Jahr zu fahren und wusste, dass es dann für eine Top Platzierung reichen sollte. Auch meine Taktik war dieselbe wie im Vorjahr und so fuhr ich von Beginn an ein offensives Rennen. Ich mag diese „taktiererei“ nicht und deshalb schlug ich bereits im ersten Anstieg von Nendaz nach Veysonnaz ein sehr hohes Tempo an. Ich konnte mich sofort etwas absetzen und habe gemerkt, dass keine meiner Konkurrentinnen mitgehen wollte respektive konnte.
Nach 25 Kilometern und 1‘000 Höhenmetern passierte ich die erste Verpflegungszone in Hérémance mit rund 3 Minuten Vorsprung als Führende. Da ich fast die gesamte Strecke im Juli nochmals abgefahren bin, wusste ich genau, was mich alles noch erwarten würde. Ich fühlte mich aber so gut, dass ich auch in der zweiten Rennstunde weiter aufs Tempo drückte. Nach den eher kurzen Anstiegen und einigen flachen Streckenabschnitten von Hérémence nach Cerise folgte der mit insgesamt 1’000 Höhenmeter gespickte Aufstieg Richtung Mandelon. Dieser Abschnitt liegt mir eigentlich nicht besonders gut. Es ist einer dieser „weder-Fisch-noch-Vogel-Aufstiege“, relativ flach auf einer Asphaltstrasse. Schon vor dem Rennen versuchte ich, mich mental gut darauf einzustellen und das sollte sich ausbezahlen. Ich war selber etwas überrascht, wie schnell ich auf der Alp oben war ;-).
Es ging dann weiter auf einem teils technisch anspruchsvollen Streckenabschnitt über die Alp Mandelon. Das war schon wieder eher nach meinem Geschmack. Zwar fuhr ich nun auf die letzten Fahrer auf, welche in Héremance gestartet waren, aber ich kam auf den Trails gut vorwärts und konnte auch auf der schnellen Kiesabfahrt Richtung Evolène weiter Gas geben. Meinen Vorsprung konnte ich weiter ausbauen, was ich aber zu diesem Zeitpunkt nicht wusste. Die Beine drehten immer noch erstaunlich gut, und ich konnte mein hohes Tempo konstant weiterfahren. Nach knapp 60 gefahrenen Kilometern und über 2’000 Höhenmetern folgte nun die nächste Steigung nach Eison, welche durch eine Abfahrt nochmals unterbrochen wurde.
In Eison angekommen, wartete nun noch das „Zückerchen“ – der PAS DE LONA. Insgesamt lagen noch 1’800 Höhenmeter vor mir. Ich versuchte auf der Anfahrt zum Lonapass nochmals meine Kräfte etwas zu bündeln und mich auf die 300 Höhenmeter vorzubereiten, auf welchen das Bike mehrheitlich getragen oder geschoben werden muss. In L’A Vieille angekommen, sah ich dann die eindrückliche „Wand“ vor mir. Phuuu, mit über 3’000 Höhenmetern in den Beinen keine leichte Aufgabe. Ich versuchte möglichst schnell einen guten Rhythmus zu finden, welchen ich bis oben durchziehen konnte. Zwar war ich heuer nicht mehr ganz so schnell auf diesem Abschnitt, wie im letzten Jahr, aber ich kam trotzdem gut voran. Wie vermutlich alle Fahrerinnen und Fahrer musste ich ziemlich auf die Zähne biessen, aber die Atmosphäre entschädigte für die Strapazen. Die vielen Zuschauerinnen und Zuschauer teilweise mit Glocken und Rasseln ausgerüstet, „peitschten“ mich richtig den Berg hoch. Es ist eine einzigartiges Gefühl, ich hatte Hühnerhaut und fast Tränen in den Augen. Unbeschreiblich, unbezahlbar, emotional und einmalig!
Nachdem ich dann die Tragpassage gemeistert hatte, überquerte ich den Pas de Lona mit 25 Minuten Vorsprung. Nach einem weiteren und letzten Anstieg von 150 Höhenmetern wartete abschliessend die lange und technisch anspruchsvolle Abfahrt Richtung Ziel in Grimentz. Aufgrund meines grossen Vorsprungs, riskierte ich nicht mehr Kopf und Kragen. Vielmehr ging es darum, den herausgefahrenen Vorsprung zu verwalten und einen Sturz oder Defekt möglichst zu verhindern. Leider gelang mir das nicht ganz, musste ich doch wenige Kilometer vor dem Ziel noch zu Boden… Bei einer kleinen Unachtsamkeit rutschte mir das Vorderrad weg und ich flog mit einem „Hechter“ vom Bike. Ausser ein paar Kratztern ist mir aber zum Glück nichts passiert.
Nach 6 Stunden und 15 Minuten konnte ich dann die Ziellinie in Grimentz als umjubelte Siegerin überqueren. Meinen eigenen Streckenrekord aus dem Vorjahr verbesserte ich um 2.5 Minuten, was mich natürlich zusätzlich freute. Mit einem Rückstand von 35 Minuten kam Josephine Clausen aus La Tour-de-Peilz als Zweite in Ziel. Dritte wurde Emmanuelle Larfi aus Cortaillod. Das ich ein sehr gutes Rennen gefahren bin zeigte mir nicht nur die Zeit, sondern auch die Tatsache, dass es von den 226 klassierten Herren nur deren 16 vor mir ins Ziel schafften ;-).
Mit meinem Rennen und dem Sieg bin ich natürlich überglücklich. Die guten und harten Trainings der letzten Wochen haben sich ein weiters mal ausbezahlt. Nach meinem Sieg in Grindelwald bin ich mit viel Selbstvertrauen angereist, trotzdem wusste ich, dass für einen weiteren Erfolg alles stimmen muss. Und ja, es stimmte wirklich alles! Ich kam ohne grössere Krise über die „Runde“ und meine Beine drehten perfekt. Aber fast noch wichtiger und wertvoller war die Arbeit, welche meine Betreuer an der Strecke leisteten. Sie machten ihren Job perfekt – HERZLICHEN DANK :-)! Ihr seid MEINE HELDEN ;-)! Nun werde ich versuchen, mich möglichst schnell und gut zu erholen, denn schon in einer Woche geht es mit dem Nationalparkmarathon in Scuol weiter.“