Bei der top besetzten Marathon-Schweizermeisterschaft in Evolène konnte ich mir dank einer hervorragenden Leistung die Silbermedaille erkämpfen. Hinter Ariane Kleinhans und vor Esther Süss wurde ich Zweite und holte mir somit nach 2011 und 2012 zum dritten Mal Edelmetall an einer Schweizermeisterschaft.

 

Am Sonntag fand in Evolène, im Val d‘Hérens oberhalb von Sion, die 20. Austragung des Raid Evolenard statt. Das Rennen zählte gleichzeitig als nationales Championat. Aus diesem Grund waren die besten Marathonbikerinnen und –biker der Schweiz am Start. Mit Esther Süss (Marathonweltmeisterin 2010, siebenfache Schweizermeisterin und Titelverteidigerin) und Ariane Kleinhans (Schweizermeisterin 2013 und WM-Vierte 2015) starteten gleich zwei renommierte Profiathletinnen. Im Vorfeld schien klar, dass die beiden Letztgenannten den Kampf um den Meistertitel wohl unter sich ausmachen würden. Dahinter war ein spannender Kampf um die Ränge 3 bis 6 zu erwarten. Ich war mit der hohen Zielsetzung einen Top-3-Rang zu erkämpfen angereist. Die anspruchsvolle Strecke über die Langdistanz mit Start in Evolène und Ziel in Les Hauderes führte über 62.5 Kilometer und 2‘600 Höhenmeter. Vor allem der zweite Rennabschnitt hatte es in sich. Galt es doch, den höchsten Punkt auf 2‘500 Meter über Meer zu überqueren und gleichzeitig etliche steile Rampen zu meistern.

 

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Unmittelbar nach dem Start in Evolène (1‘370 m.ü.M.) folgte der rund sechs Kilometer lange Aufstieg zur Alp Arbey (2‘000 m.ü.M). Zuerst übernahm Ariane Kleinhans die Spitze, bevor dann Esther Süess das Tempo bestimmte. Im ersten Moment musste ich die beiden etwas ziehen lassen, bevor ich dann nach ca. 1.5 Kilometern wieder aufschliessen konnte. Ich war selber etwas überrascht, dass ich relativ locker mithalten konnte. Da ich das Gefühl hatte, dass Süess und Kleinhans etwas taktieren, hielt mich ruhig auf Position drei. Erst als ich sah, dass uns Hug und Darbellay immer näher kamen, übernahm ich die Führung, da ich sie nicht aufschliessen lassen wollte. Nach 45 Minuten erreichten wir den ersten Kulminationspunkt auf der Alp Arbey. Leider passierte mir dann ein taktischer Fehler. Nicht nur Kleinhans, sonder auch Süss schob sich kurz vor der Abfahrt vor mich. Süss erwischte wohl nicht ihren besten Tag; Kleinhans setzte sich vorne ab und ich war hinter Süss „blockiert“. Leider konnte ich Süss dann erst gegen Ende der Abfahrt überholen und da hatte wir bereits 40 Sekunden Rückstand auf die Führende.

 

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Im letzten Teil der Abfahrt und im darauffolgenden Aufstieg nach L’Etoile (2‘250 m.ü.M.) distanzierte ich mich von der favorisierten Esther Süss und machte mich alleine auf die Verfolgung der Leaderin. Auch die zweite Steigung gelang mir ausserordentlich gut. Meine Beine drehten super und ich brachte richtig Druck auf die Pedalen. Zwar rechnete ich damit, dass Süss wieder zu mir aufschliessen würde, aber ich versuchte einfach, für mich ein optimales Tempo zu finden. Nach einer schnellen Schotterabfahrt und den coupierten Kilometern dem Bach entlang war Halbzeit. Die erste Zieldurchfahrt in Les Hauderes passierte ich mit einem Rückstand von rund 2.5 Minuten auf Ariane Kleinhans. Esther Süss und die weiteren Verfolgerinnen Cornelia Hug und Florence Darbellay wiesen bereits einen Rückstand von drei und mehr Minuten auf mich auf, was ich zu diesem Zeitpunkt aber nicht wusste.

 

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In der zweiten Rennhälfte führte die Strecke auf die andere Talseite des Val d‘Hérens, wo es innerhalb von 17 Kilometern rund 1‘500 Höhenmeter zu überwinden galt. Ich kannte die Topographie aus dem Vorjahr sowie von mehreren Trainingsfahrten, so wusste ich genau, was noch auf mich zukam. Ich versuchte mich nochmals gut zu verpflegen und all meine übrig gebliebenen Kräfte zu bündeln. Mental habe ich mich gut auf diesen Streckenabschnitt eingestellt. Die ersten Kilometer waren ziemlich hart, es gab etliche steile Rampen und auch immer wieder kurze Laufpassagen zu meistern. Ich versuchte wieder einen guten Rhythmus zu finden, was mir aber erst nach La Forclaz gelang. In den steilen Passagen konnte ich meine Pace voll durchziehen, was mich natürlich sehr motivierte. Auch konnte ich einige Männer ein- und überholen, was mir zusätzlich „Schub“ verleihte. Immer wieder kamen Gedanken wie „wow was wäre wenn ich diesen zweiten Rang ins Ziel bringen würde“. Aber plötzlich hatte ich auch wieder „Verfolgungswahn“ und sah mich schon neben dem Podest landen. Ich musste mich immer wieder zwingen, mich auf das Rennen zu konzentrieren, denn es lag noch ein weiter und vor allem schwieriger „Weg“ vor mir.

 

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Nach der Alp L’Orvelle kam ein sehr harter Abschnitt. Auf dem „Karrenweg“, welcher mit sehr vielen Steinen und Unebenheiten gespickt war, hatte man das Gefühl stehen zu bleiben. Der Boden war sehr sandig und nass. Dass es zu diesem Zeitpunkt fast geschneit hat und uns ein eisig kalter Wind entgegenblies, habe ich kaum wahr genommen. Ich war sehr fokussiert, denn ich wusste, das gleich eine schwierige Abfahrt folgen würde. Der viele Schlamm und das Wasser machten die zahlreichen Kehren zu einer einzigen Rutschpartie. Aber ich hatte auch fahrtechnisch einen ausserordentlichen Tag erwischt. Spielend konnte ich die vielen Klippen meistern. Noch ein letztes Mal wurde ich von meinem Betreuerteam verpflegt – endlich der lang ersehnte Bidon mit Cola. Jetzt folgten noch die finalen 400 Höhenmeter. Nun musste ich nochmals richtig auf die Zähne beissen. Diesen Abschnitt hatte ich mir vor ein paar Wochen bei einer Trainingsfahrt genau eingeprägt. Ich pushte mich die Kurven hoch. Auch hier hatte man das Gefühl, nicht vom Fleck zu kommen wegen des lehmig-sandigen Bodens. Und dann, endlich war er in Sichtweite, der Kulminationspunkt auf 2‘500 Meter über Meer. Noch eine kurze Laufpassage und dann folgte die letzte sehr lange Abfahrt.

 

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An den Positionen hatte sich in der Zwischenzeit nichts verändert und so konnte ich als Zweite in die Abfahrt Richtung Les Hauderes „stechen“. Nochmals hiess es volle Konzentration. In den X kniffligen und schlifrigen Spitzkehren musste man gut aufpassen… Kaum gedacht „Nadia pass auf“ stand ich schon ein erstes Mal neben der Strecke, während mein Bike noch auf dem Wanderweg lag. „Phuuuu, nichts passiert, nochmals gut gegangen“… Dies sollte mir dann noch ein weiteres mal passieren, bevor ich etwas Tempo raus nahm. Der Vizemeistertitel war nun in Griffnähe. Trotzdem wusste ich, dass es erst auf der Ziellinie vorbei sein würde. Nach zwei kurzen Gegenanstiegen kam ich dann unbeschadet im Tal unten an. Jetzt hiess es auf den letzten Flachen Kilometern nochmals Gas geben. Meine Betreuer teilten mir mit, das von hinten keine „Gefahr“ drohe und so konnte ich meine Zieleinfahrt richtig geniessen. Unbeschreiblich diese Emotionen – ich glaube mein Foto sagt mehr als tausend Worte…

 

Mountainbike Marathon Schweizer Meisterschaft in Evolene am Sonntag, 19. Juni 2016. Foto Martin Platter

Foto: Martin Platter

 

Ariane Kleinhans überquerte die Zielline nach 4 Stunden und 7 Minuten als verdiente neue Schweizer Meisterin. Ich folgte als Zweite und sicherte mir mit einem Vorsprung von 6 Minuten auf die Drittplatzierte Esther Süss meine dritte Silbermedaille. Die weiteren Ränge belegten Cornelia Hug und Florence Darbellay. Im ersten Moment konnte ich gar nicht fassen, was ich da geschafft hatte… Martin Platter (Fotograf und Journalist) fragte mich als erstes, was ich denn gemacht hätte, das sei ja schon überraschend dieser Vizemeistertitel. Ich habe ihn dann keck gefragt: „Findest du?“. Da war wohl noch sehr viel Adrenalin in meinem Körper… Klar wenn ich ehrlich bin, hätte ich auch nicht ganz damit gerechnet. Ich habe vor dem Rennen gesagt, zwischen Rang 3 und 7 sei alles möglich. Ich habe mich sehr gut auf die Schweizermeisterschaft vorbereitet und habe in den letzten Wochen gespürt, dass meine Form stimmt. Die vielen harten Trainingseinheiten haben sich ausbezahlt. Ich erwischte dann auch noch einen hervorragenden Tag und konnte wohl eines meiner stärksten Rennen überhaupt zeigen. Dass ich eine solch souveräne Vorstellung abliefern könnte, hätte ich mich aber nicht zu träumen gewagt… Ich bin natürlich überglücklich, stolz und sehr zufrieden mit meiner Leistung.

 

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Foto: Martin Platter

An dieser Stelle möchte ich ein riesengrosses DANKESCHÖN an meine Betreuer richten. Sie haben mich optimal unterstützt und einen perfekten Job gemacht! Ein  grosser Anteil an meinem Erfolg hat sicher auch mein Trainer Fabian Neunstöcklin. Er hat einmal mehr die richtige Mischung zwischen Training und Regeneration gefunden. DANKE Fabian für das perfekte Timing! Auch meinen Sponsoren möchte ich nochmals herzlich DANKE sagen. Ohne euch wäre es finanziell gar nicht möglich, auf diesem Niveau Rennen zu fahren. Und last but not least auch ein MERCI an die zahlreichen Leute, welche mich „still“ im Hintergrund unterstützen! Die Reaktionen auf meine Silbermedaille waren wirklich überwältigend – DANKE für eure Nachrichten und Gratulationen!

 

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